Gedenkstättenreise Israel 2022 – Rückblick

Die Fahrt nach Israel ist bis dato die Fahrt des Vereins DENK DRAN e.V., mit der größten Entfernung: über 4440 Kilometer trennen Gladbeck und Jerusalem. Insgesamt sechs Nächte und sechs Tage verbrachte die Reisegruppe in Jerusalem und konnte schon in dieser Stadt die vielen Kontraste und Unterschiede in der Bevölkerung, aber auch ihre faszinierenden Gemeinsamkeiten entdecken. Anschließend verbrachten wir die letzten Tage unserer Reise in der modernen Stadt Tel Aviv und lernten eine ganz andere Seite des Landes kennen.

Nachfolgend wollen wir euch in einer kurzen Zusammenfassung einen Eindruck der Bildungsreise nach Israel bieten:

22.07.2022

Nach einer langen aber reibungslosen Anreise und einem Empfang durch unseren Guide Uriel Kashi verbrachten die Teilnehmende nach einem gemeinsamen Abendessen den restlichen Abend über den Dächern Jerusalems mit Blick auf den Felsendom, einem sehr prägnanten Landschaftsmerkmal der Stadt und dem ersten Repräsentanten der kulturellen Vielfalt.  Ein besonderes Erlebnis war dabei die Beobachtung eines (zugegebenermaßen kleinen) Meteoriten, der ganz zufällig und besser nicht planbar, an diesem Abend unser Sichtfeld kreuzte.

23.07.2022

Am nächsten Morgen begann die Reisegruppe unter der Leitung von Uriel Kashi die Stadtführung durch Jerusalem. Mit dem Besuchen des armenischen, muslimischen, christlichen und jüdischen Viertels Jerusalem konnten die Teilnehmenden einen Eindruck von der Vielfältigkeit der „Heiligen Stadt“ und dem darauf basierenden Potenzial für Konflikte bekommen. Der Besuch der Klagemauer zeigte sich sinnbildlich für das Kennenlernen anderer Kulturen und der Ausführung dieser: Die Teilnehmenden hatten viele Frage an Uriel bezüglich der Art und Weise des Gebets, der Kleidung und des generellen Habitus der jüdischen Gläubigen vor Ort, die Uriel alle beantworten konnte.

Einer der Ausgänge des Bereichs der Klagemauer, im Hebräischen übrigens vielmehr als „Westmauer“ bezeichnet, führte uns übergangslos ins muslimische Viertel. Die Teilnehmenden stellten schnell die Unterschiede fest, sei es bei der Sprache der Schilder über Läden, der Musik, die zu hören war, und das Tragen von religiösen Symbolen, die den Islam kennzeichnen. Angemerkt wurde dabei von den Teilnehmenden, dass auch jüdische Männer und Frauen, erkenntlich z.B. durch das Tragen eines sogenannten Davidsterns oder einer Kippa, sich in diesem Viertel ganz normal bewegten. Dieses Bild von religiösem Zusammenleben zeigte somit schon am ersten vollen Tag der Reise eine ganz andere Seite, als die, die zumeist durch die Medien und Sozialen Medien in den letzten Jahren von Jerusalem dargestellt wurde.
Ein weiterer Programmpunkt der Stadtführung war die Via Dolorosa, womit die Stadtführung auch die dritte monotheistische Religion inkludierte. Besonders interessant waren dabei christliche Pilgergruppen, die den Weg ebenfalls gingen, und immer wieder ein Blickfang für die Teilnehmenden waren.
Zum Schluss wurde es dann noch politisch: Uriel Kashi sprach abschließend noch mit den Teilnehmenden über die politische Situation und politische und religiöse Konflikte und gab damit einen ersten Einblick in die komplizierte aber so vielfältige Zusammensetzung nicht nur Jerusalems, sondern auch des ganzen Landes Israel.
Während der ganzen Stadtführung achtete unser Guide stets auf ein angemessenes Tempo und fand für uns immer ein schattiges Plätzchen, wo er uns dann viele interessante Informationen zu den einzelnen Gebäuden, Praktiken oder Persönlichkeiten näherbrachte.

Die Stadtführung durch Jerusalem ist für viele Teilnehmende auch in diesem Jahr ein Highlight der Fahrt gewesen!

24.07.2022

Am Sonntag wurde die Reisegruppe von unserem Busfahrer Said und in Begleitung unseres Guides Uriel Kashi nach Bethlehem und verließ somit zum ersten Mal auf der Reise israelisches Staatsgebiet. Bethlehem liegt im Westjordanland und unterliegt palästinensischer Autonomie. Den Teilnehmenden fielen vor allem Unterschiede im Stadtbild auf und die unterschiedlichen Uniformen der Soldat*innen und Polizist*innen vor Ort.
Den ersten Stopp bildeten dabei die Hirtenfelder, die nach christlicher Lehre den Ort darstellen, an dem einigen Hirten ein Engel erschien und die Geburt Jesus Christus´ verkündete. Im Laufe des Vormittags konnten die Teilnehmenden auch die Geburtskirche in Bethlehem besuchen und besichtigen und an die in der Stadtführung durch Jerusalem thematisierten christlichen Erzählungen zu der Figur Jesus Christus anknüpfen.

Bei einem weiteren Stopp wurde es nun erneut hochpolitisch: Den Teilnehmenden war es möglich, einen Teil der Grenzmauer zwischen Israel und dem Westjordanland zu besichtigen. Die Mauer fiel bei den Teilnehmenden vor allem durch ihre immense Höhe auf und natürlich durch ihre „Verzierungen“. Viele Künstler*innen haben die Mauer im Laufe der Jahre als Anlass dafür genommen, durch Graffitis politische Statements zu setzen und ihre Meinung kundzutun. Der Besuch dieses Mauerabschnitts stellte für die Reisegruppe eine Möglichkeit für einen Perspektivwechsel dar und war ein erster Schritt zu der Erkenntnis, wie komplex und kompliziert der Charakter des Israel-Palästina-Konflikts sich darstellt. Der Besuch der Mauer hinterließ bei den Teilnehmenden einen bleibenden Eindruck und wurde in einer Reflexion der Fahrt oft als beeindruckender Programmpunkt erwähnt.

Am Sonntagnachmittag folgte dann der Besuch bei AMCHA („Du bist von uns“) und hörten einen Vortrag von Irith Sheelo Furman.  Amcha bietet u.a. Shoa-Überlebenden psychologische und psychosoziale Unterstützung an, um mit den traumatischen Erlebnissen der Shoa umgehen zu können. Auch für die Nachkommen der Shoa-Überlebenden, die zweite und dritte Generation, bietet Amcha Unterstützung und Hilfe. Irith erzählte uns dabei über ihre Arbeit und die Teilnehmenden konnten noch einige Fragen stellen.

25.07.2022

Am Montagmorgen begab sich die Reisegruppe erneut ins Westjordanland, diesmal aber in eine der sogenannten A-Zonen, also israelisch kontrolliertem Gebiet. Wir besuchten die Taufstelle, an der nach christlich-biblischer Erzählung Jesus Christus getauft wurde. Fast schon surreal wirkte dabei die Tatsache, dass sich auf der anderen Uferseite, vielleicht drei Meter entfernt, westjordanisches Gebiet befindet, dass nicht unter israelischer Kontrolle steht.

Auf beiden Uferseiten befanden sich somit Soldaten der jeweiligen Armeen. Trotz dieser Grenzsituation war aber weder unter den Soldaten und damit noch unter den Teilnehmenden eine Anspannung zu spüren. Die entspannte Stimmung vor Ort lässt sich u.a. dadurch aufgreifen, dass die israelischen Soldaten während ihres Dienstes bereitwillig Fotos mit einigen Teilnehmenden machten. Diese unaufgeregte Seite des Konflikts bot der Reisegruppe eine weitere Ergänzung für das Bild, was sie vielleicht vor der Fahrt von der Situation vor Ort hatten.
Anschließend konnten wir einige Stunden am Toten Meer verbringen und durchatmen. Das Baden im Toten Meer war eine einzigartige Erfahrung und viele Teilnehmende empfanden das Erlebnis als so besonders, dass sie gerne noch länger vor Ort geblieben wären.

Der Montagnachmittag wurde dann zu einem intensiven und emotionalen Erlebnis für alle Beteiligten. Wir hatten die Möglichkeit, mehrere Zeitzeug*innen in einer Tagesstätte für Shoa-Überlebende in Jerusalem zu treffen, ihnen zuzuhören, mit ihnen zu singen und zu tanzen. Die herzliche und warme Stimmung mit Kuchen und Saft und die Einblicke in die schmerzhaften Erfahrungen der Überlebenden bildeten eine unvergessliche und sehr berührenden Kombination.

Doch nicht nur die Vergangenheit wurde thematisiert; den Überlebenden war es auch wichtig, uns ihre momentane Lebenssituation darzustellen und über ihre Familien zu erzählen. Es war für die Reisegruppe eine Ehre, diese wertvolle Erfahrung in einer so besonderen Atmosphäre machen zu dürfen, und viele Teilnehmende empfanden diesen Programmpunkt als einen Schlüsselmoment.

26.07.2022 und 27.07.2022

Zwei Tage verbrachte die Reisegruppe in Yad Vashem („Denkmal und Name“), der zentralen Gedenkstätte in Israel für die Opfer der Shoa und Shoa-Überlebenden. Yad Vashem hat es sich zur Aufgabe gemacht, die individuellen Schicksale aufzuzeigen und die Menschen wortwörtlich beim Namen zu nennen, um sich an sie zu erinnern. Dies ermöglicht die Gedenkstätte auf einem großen Gelände mit vielen Gedenkmählern und Ausstellungen. Mit einem Gang durch die ständige Ausstellung unter Begleitung von Marc Neugröschel erfuhren die Teilnehmenden viele geschichtliche Details des Holocausts und die grausame Zeit des Nationalsozialismus wurde durch diese Ausstellung durch die vielen Fotos und Originaldokumente dargestellt und verdeutlicht. Bei einer Campustour konnte die Reisegruppe einige Denkmäler besuchen. Besonders emotional war dabei der Gang durch das Denkmal für die über 1,5 Mio im Holocaust ermordeten Kinder.

Ein weiterer Programmpunkt war ein Zeitzeuginnengespräch mit Zipora. Zipora erzählte uns ihre Überlebensgeschichte, die so viel Schmerz und Leid beinhaltete. Doch auch ihr war es wichtig, uns ihre momentane Lebenssituation darzustellen, die sie als sehr positiv betrachtet. Stolz erzählte sie und von ihren Kindern und Enkelkindern, von den Büchern die sie und ihr verstorbene Mann verfasst haben, ihrer schönen neuen Wohnung und dass sie „noch viele weitere Jahre weiterleben werde“. Angesichts ihrer Energie und Lebenslust besteht darüber kein Zweifel. Da Zipora merkte, wie nah uns ihre Geschichte ging, verlangte sie von jedem von uns zum Abschluss eine Umarmung und hatte für jeden ein Küsschen auf die Wange und warme Worte parat, um uns ein gutes Gefühl zu geben und uns unser Herz wieder etwas leichter zu machen. Durch ihre taffe und starke und gleichzeitig gütige Persönlichkeit beeindruckte und rührte sie die Teilnehmenden nachhaltig.

Zum Abschluss des zweiten Tages hörten wir noch einen interessanten Vortrag von Marc Neugröschel zum Thema Antisemitismus und der langen Geschichte von diesem.

28.07.2022

Dienstagmorgen verließen wir Jerusalem mit gepackten Koffern und trafen uns mit Lydia Aisenberg,

einer freien Journalistin und Friedenspädagogin. Lydia erzählte uns in ihrer aufgeweckten Art und mit frischem Humor Details aus ihrem eigenen Leben und referierte uns anschließend mehr über die Grenzsituation zwischen Israel und dem Westjordanland, den verschiedenen Zonen und welche Probleme dadurch entstanden und immer noch entstehen. Zusammen mit Lydia fuhren wir in das Dorf Barta´a, welches in der Vergangenheit durch die sogenannte „Grüne Linie“ getrennt wurde und somit auch für die Trennung von Familien im Dorf sorgte. Mit einem silbernen Davidstern um den Hals führte Lydia uns durch das muslimisch geprägte Dorf und wurde von allen Seiten gegrüßt und mit Handschlägen und Umarmungen Willkommen geheißen. Nach einer kurzen Verschnaufpause inklusive Falafel brachte Lydia uns zu einem Viewpoint, bei welchem sie uns nochmal die surreal wirkende Grenzsituation näherbrachte. Eine besonders wertvolle Erfahrung war hier für die Teilnehmende, dass Lydia uns mit ihrem Vortrag und ihren Informationen und Erklärungen aufzeigen konnte, dass in diesem Konflikt ein Schwarz-Weiß-Denken nicht funktionieren kann und man die Situation viel differenzierter betrachten muss.

Nach diesem aufschlussreichen Tag reisten wir weiter nach Tel Aviv und konnten dort den Tag ausklingen lassen.

29.07.2022

Der Freitag begann mit einer Führung durch Jaffa unter der Leitung von Uriel Kashi. Uriel zeigte uns historische Orte und schöne Ecken der wohl ältesten Stadt am Mittelmeer, die nun zu Tel Aviv zugehörig ist. Dabei hatte er wieder interessante Informationen und nette Anekdoten für uns parat, die die Stadtführung bei sehr heißem Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit auflockerten.
Anschließen begaben wir uns in den jüngeren Teil der Stadt, nach Tel Aviv, und besichtigten moderne Architektur und sammelten Eindrücke der modernen, säkulär geprägten Kultur Israels in diesem Teil des Landes.

30.07.2022

Am Samstagmorgen hatten die Teilnehmende die Möglichkeit, Herta Goldmann zu treffen und mit ihr ein Zeitzeuginnengespräch zu führen. Herta erzählte uns über ihre Erlebnisse während der Shoa und gab uns somit eine weitere Perspektive und weitere Einblicke in die Vergangenheit. Wie jeder Zeitzeuge und jede Zeitzeugin auf unserer Reise gab sie uns zum Abschluss warme Worte mit auf den Weg und wünschte uns Glück, Gesundheit und nur das Beste.

Den Nachmittag hatten die Teilnehmenden zur freien Verfügung und konnten die Stunden nutzen, um die Erfahrungen und Emotionen der letzten Tage zu verarbeiten.
Am Abend kamen wir alle zu einem gemeinsamen Abschluss zusammen und gaben uns gegenseitig bei dem Spiel „Rückenstärken“ noch warme Worte oder lustige Anekdoten mit auf den Weg.

31.07.2022

Am Sonntagmittag hieß es dann Abschied nehmen. Die Reisegruppe machte sich zurück auf den Weg nach Deutschland und kam nach einigen Stunden Reisezeit wohlbehalten in der Heimat an.

Resümee

Auch in diesem Jahr konnten die Teilnehmenden wieder die unterschiedlichsten Erfahrungen sammeln und neue Informationen in Gebieten wie Politik, Religion und Geschichte mitnehmen. Doch nicht nur Wissen, sondern auch emotionales Wachstum prägten diese Fahrt: der Umgang mit schrecklichen Bildern, traurigen Lebensgeschichten und höchstkomplexen, emotionalisierten Konfliktsituationen in politischen Themenbereichen umgaben die Teilnehmenden jeden Tag. Die Fahrt war für viele Teilnehmende eine gut genutzte Möglichkeit, das eigene Wissen zu erweitern und als Person zu wachsen.

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden für eine tolle Gruppendynamik sowohl in ernsten, als auch spaßigen Momenten und freuen uns auf alle zukünftigen Fahrten!

© 2022 Redaktion Denk Dran e.V., alle Bilder privat

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